Dorfleben

Das waren noch Wintertage

Josef Bartz

Heute fragt man nicht mehr „Wann wird denn endlich Sommer?“, sondern „Wo ist der Winter geblieben?“. Zu meiner Jugendzeit, in den 50er-Jahren, war dies keine Frage, denn der Winter hatte zu seiner Jahreszeit den Namen zu Recht. Ab Dezember ging es los. Erst lockerer Schnee und dann, um die Weihnachtszeit, den dazugehörigen Frost. Für uns Kinder war es eine Wonne. Jeder hatte einen Schlitten und einige sogar Skier. Wenn der Weiher richtig zugefroren war, ging es mit den Schlittschuhen, die man unter die Sohle der hohen Schuhe schraubte, aufs Eis. Die Kinder kamen sich vor wie Marika Kilius und Hans Jürgen Bäumler. Richtige Eishockeyspiele wurden auf dem Weiher durchgeführt. bis spät in den Abend wurde auch Schlitten gefahren. Manchmal ging die Fahrt die Ochtendunger Höhe hinab, durch das Nadelöhr an der Mauer, bis zum Bur. Die Schlitten wurden zum Bob zusammengebunden und von jemandem der Schlittschuhe anhatte gelenkt. Durch die vielen Kraftfahrzeuge in der heutigen Zeit unvorstellbar. Oder wir fuhren den Wolkener Weg hinunter. Von Gehrmanns an (frühere Bäckerei im Wolkener Weg) ging es bis auf die Höhe der heutigen Sporthalle. Es fuhren in dieser Zeit so gut wie keine Autos und unser Ruf war: „Saide, Saide“ („Geh zur Seite, ich komme“). Alles ist gut gegangen und die Kinder hatten im Winter, der noch einer war, ihren Spaß.

Eines Tages bekam ich von Matthäuse Udo ein Paar Skier geschenkt. Es waren nur kurze Bretter, aber für mich sollten sie reichen. Nach der Schule kaum zu Hause, musste ich schon vor dem Mittagessen die Skier ausprobieren. Ich höre noch meine Mutter Lisbeth rufen: „Warte bis heut Nachmittag!“. Aber es war schon zu spät. Meine Strecke war durch den Garten vom Heucher Johann bis zur Mitte des unsrigen. Dort lag ein kleiner Misthaufen, von unserer 1-Schwein-Schweinezucht, der natürlich knochenhart gefroren war. Da ich nur geradeaus fahren und nicht ausweichen konnte, fuhr ich dagegen und schon war's geschehen. Ein Schlag und die rechte Spitze war abgebrochen. Aus war der Traum einmal Abwärtskönig von Bassenheim zu werden. Dies war das erste und einzige Mal, dass ich auf Winterski gestanden habe. Ich habe nie mehr Skier bekommen, und habe Skifahren nie gelernt.

Abends wurden dann die nassen Klamotten an die Stange rund um den mit Holz und Briketts gefütterten Herd zum Trockenen angehängt. Da man nur ein Paar Winterschuhe und eine Hose hatte, musste man diese am nächsten Morgen wieder in die Schule anziehen.

Winternächte mit Dauerfrost von über 10 – 15 Grad waren keine Seltenheit. Man kann sich vorstellen, dass auch in den Zimmern, außer der Küche, in der geheizt wurde, noch Minusgrade herrschten. Heute würde man die Heizung hochstellen oder eine elektrische Bettdecke in Betrieb nehmen. Da es dies in den 50er-Jahren nicht gab, wurde ein Ziegelstein schon am Nachmittag in den Backofen gelegt. Beim Zubettgehen hatte dieser die nötige Hitze. Entweder wurde ein Strumpf oder eine Zeitung um den Stein gewickelt und dieser als Bettwärmer mit ins Bett genommen.
Ich kann mich nicht erinnern jemals erkältet gewesen zu sein oder einen Schnupfen und Husten gehabt zu haben.

Zurück