Dorfleben

Erinnerungen an Schuster „Heini“ Heinrich Becker

Unbekannt

Heinrich Becker übte den Beruf des Schusters in Bassenheim aus und widmete sich diesem Handwerk fast 65 Jahre lang. Im Jahr 1935, als er 15 Jahre alt war, trat er in eine Ausbildungswerkstatt ein, um sein Handwerk zu erlernen. Heinrich Becker überstand den Krieg unbeschadet und erwarb anschließend das Meisterdiplom, das an seinem Eingang sichtbar war. Im Jahr 1948 eröffnete er seine eigene Werkstatt mit Verkauf und widmete sich fortan dem Schusterhandwerk.

Es herrschte eine Atmosphäre um seinen Hocker herum, die man förmlich riechen konnte - Leder, Gummi und Leim. Der Mittelpunkt seiner Werkstatt war sein Arbeitstisch. Hier fand „Heini“, wie er von vielen Bassenheimern genannt wurde, alles, was ein Schuster zur Arbeit benötigte: Leder, Lochzange, Raspel, Messer und Kleber. Nägel für die Absätze bewahrte er in einem gusseisernen Präsentierteller auf, der eine ganz eigene Geschichte hatte: Während des Zweiten Weltkriegs war in Bassenheim eine Gebirgsjägereinheit stationiert, die einen eigenen Regimentsschuster hatte. Als die Einheit sich zurückzog, schenkten sie Herrn Becker diesen Teller.

Fast alle Gegenstände in der Werkstatt hätten ähnliche geschichtsträchtige Anekdoten erzählen können. So auch ein gegossenes Dreibein aus dem 19. Jahrhundert, auf dem Schuhe zum Bearbeiten aufgelegt wurden, oder die Vielzahl der hölzerne Leisten. Ein besonders altertümliches Material für das Nähen, war ein Büschel Wildschweinborsten, das aufgrund seiner Biegsamkeit und Haltbarkeit sehr geschätzt wurde. Um damit zu nähen, wurde es mit einem pechversiegeltem Hanfgarn verzwirbelt. In der Werkstatt besaß er außerdem eine Ausputzmaschine, ein Kombinationswerkzeug mit diversen Schleif- und Polierwalzen, sowie eine Nähmaschine, die aufgrund ihrer Größe als überdimensional bezeichnet werden konnte.

In den 70er-Jahren kam es zu einem Wandel im Schusterhandwerk. Mit dem Aufkommen von Turnschuhen wurden sie zu einer alltäglichen Art der Fußbekleidung und in Supermärkten wurden Schnellreparaturen populär, obwohl sie teurer waren und nicht so langlebig wie Reparaturen vom Schusterhandwerk. Die Fertigung von maßgeschneiderten Lederschuhen wurde zunehmend von Einwegmaterialien verdrängt.

Heinrich Becker war ein geschickter Handwerker und reparierte alles, was ihm gebracht wurde, sei es ein Collegeschuh, Stiefel, Schulranzen, Pferdegeschirr oder Lederfußbälle. Dank seiner Fähigkeiten und Erfahrungen, konnte er jeden Auftrag schnell erledigen.
Durch die Inanspruchnahme örtlicher Handwerker wie Heinrich Becker wurde früher das Zusammenleben und das Zugehörigkeitsgefühl zum Wohn- und Heimatort gefördert.

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