Dorfleben, Kriegsjahre/Nachkriegszeit

Jüdisches Leben in Bassenheim

Die Feindseligkeit gegenüber Juden reicht weit in unsere Geschichte zurück und ist bis heute präsent.
Bereits in der Römerzeit wurden Juden als Sklaven gehalten, doch konnten einige dank ihres Geschicks im Handel und ihrem Sprachvermögen Bürgerrechte erwerben.

Nachdem das Christentum im römischen Reich zur Staatsreligion erklärt wurde, setzte sich die Ausgrenzung der Juden fort.

Im Mittelalter erhielten die Juden einen neuen Status, indem sie von Landesherren wie Kaiser Friedrich II. unter Geleitschutz gestellt wurden.

Das Schutzgeleit war damals eine Art von Schutzbrief, der einem Reisenden oder Händler gewährt wurde, um ihn auf seiner Reise vor Überfällen und Raubüberfällen zu schützen. Diese Schutzbriefe wurden von Adligen oder Herrschern ausgegeben und konnten zu einer Einnahmequelle für sie werden, indem sie den Reisenden oder Händlern eine Schutzgebühr in Rechnung stellten. So nutzen auch die Grafen von Bassenheim (z.B.: Anton Walpot von Bassenheim) den Geleitschutz als zusätzliche Einnahme und erlaubten Juden, in Bassenheim sesshaft zu werden.

Im 15. Jahrhundert nahm die Judenfeindlichkeit wieder zu. Viele wurden aufs Land vertrieben und erhielten Geleitschutz in Eifel und Hunsrück. Sie durften beruflich nur das tun, was man ihnen erlaubte und hatten Geld- und Sachleistungen zu erbringen. Sie durften keinen Grund und Boden erwerben und mussten gegen Miete die Behausung annehmen, die man ihnen zuwies.
Im 16. Jahrhundert setzte auch eine religiös motivierte Judenfeindlichkeit ein.

Französische Revolution im Rheinland

Die Situation der Juden verbesserte sich, als sich die französische Revolution mit den neuen Persönlichkeitsrechten bis zum Rhein ausbreitete (Freiheit, Freizügigkeit und Aufhebung der Schutzgeldverpflichtungen). Rechtsrheinisch galt dies jedoch nicht.
Es entstand unter den Juden eine „Frankreicheuphorie“, die viele zum Übersiedeln nach Frankreich bewog.

Unter der Regierung Napoleons wurde die Freiheit der Juden jedoch wieder beschränkt. So musste für die Aufnahme der Berufstätigkeit ein staatliches Patent von der französischen Präfektur beantragt werden. Dazu musste der Jude beim Konsistorium in Bonn um ein Moralitätszeugnis nachsuchen, in dem ihm ein „moralischer Lebenswandel“ und „Redlichkeit“ bescheinigt wurde. Nach Prüfung erteilte die Regierung dem Petenten dann das Patent zur Betreibung des Gewerbes, allerdings nur für die Dauer eines Jahres. Dann musste der Betreffende um eine Verlängerung um ein weiteres Jahr nachsuchen.
So erging es auch Abraham Heimann in Bassenheim, der das Patent 1838 zum Betrieb einer Metzgerei beantragte.

Moralitätszeugnis des Israelitischen Konsistoriums in Bonn für den Bassenheimer Metzger Abraham Heimann.

Ebenfalls mussten die Juden zivile Vor- und Familiennamen führen. Einige leiteten ihre Namen aus dem Hebräischen ab, z.B. Haimann von chaim = Leben. Andere ergriffen willkürliche Namen oder sie wurden ihnen zugewiesen: Sommer, Winter, Mai, Blummenberg, Rosenthal etc.
Um 1800 gab es in Bassenheim 32 jüdische Einwohner. 1832 waren es 38, 1856 sogar 45 jüdische Mitbürger. Ab 1850 gab es vermehrt Auswanderungen nach Amerika, darunter Angehörige der Familien Haimann, Simon und Süßmann.


Der jüdische Friedhof

Anfang des 19. Jahrhunderts galt Bassenheim bereits seit langer Zeit als Synagogengemeinde mit einem eigenen Friedhof im heutigen Baugebiet „im Sässel“. Eine alte Landmessungskarte aus der Mitte des 19. Jahrhunderts, die in der lokalen Burg aufbewahrt wird, zeigt, dass der jüdische Friedhof weit entfernt vom damaligen Ortskern lag und etwas mehr als die dreifache Größe des heutigen Friedhofs besaß. Juden aus den Orten Mertloch, Metternich, Kettig, Mülheim-Kärlich, Ochtendung und Kirchberg wurden hier beigesetzt.

Später forderte die Gutsverwaltung Bassenheim, dass nur noch Bassenheimer Juden auf dem Friedhof beigesetzt werden sollten.

Ein Artikel aus der Zeitschrift „Der Israelit“ vom 29.03.1900 erinnert an die Beisetzung eines 18-jährigen Jungen der Familie Haimann unter großer Anteilnahme der Bassenheimer Bevölkerung:

In den traurigen Zeiten des Rassenkampfes, der den Antisemitismus zur höchsten Blüte getrieben, berühren Ereignisse, die das harmonische Zusammenleben der Konfessionen illustrieren, selbst wenn sie traurigen Anlasses sind, um so wohltuender. Ein rührendes Beispiel konfessionellen Friedens und patriarchalischer Einigkeit gab vor einigen Tagen das Begräbnis eines 18-jährigen jüdischen jungen Mannes in Bassenheim bei Koblenz, des Sohnes eines Herrn Heymann. Der junge Mann erlag nach langer Krankheit dem Typhus, und wenn schon während seiner Krankheit unzählige Beweise herzlicher Anteilnahme seitens der christlichen Mitbürger den Kranken und seine Angehörigen erfreuten und trösteten, so bildete das Leichenbegängnis geradezu einen noch nicht dagewesenen Akt allgemeiner Anteilnahme. Die gesamte Dorfbevölkerung, inklusive Geistlichkeit, sowie sämtliche Insassen des von Kusserow'schen Gutes und eine unabsehbare Menge Fremder aus benachbarten Orten, bildeten einen Zuge, den man auch in der größten Stadt vergebens suchen würde. Im Trauerhause selbst war kein Platz für die Anzahl Frauen und Mädchen, die den Hinterbliebenen in der schweren Stunde beizustehen gekommen waren. Am Grabe selbst sprach der Pfarrer, der sich das nicht nehmen ließ, in bewegten Worten die Angehörigen zu trösten, derselbe würdige Herrn der während der Krankheit des ungemein beliebten junges Mannes eine Messe für seine Genesung abgehalten und heiße Wünsche bei seinem täglichen Gebete zu Gott empor gesandt hatte!
Klingt das nicht wie ein Märchen aus einer anderen Welt? Wann wird wohl überall auf dem Erdenrunde eine gleiche Gesinnung eingezogen sein?!

In der NS-Zeit wurde auf religiöse Gefühle der Juden keine Rücksicht genommen, die Friedhöfe wurden eingeebnet, Grabsteine veräußert oder für gemeindliche Bauvorhaben genutzt. Ebenfalls wurden auf dem Friedhof die im „Strafgefangegenlager Eiserne Hand“ umgekommenen Zwangsarbeiter beigesetzt.
Vermutlich fand die letzte Beisetzung um 1942 statt.

Heute wird der jüdische Friedhof von der jüdischen Kultusgemeinde Koblenz gepflegt und steht seit 1986 unter Denkmalschutz.

 

Kriegszeiten

Im ersten Weltkrieg waren auch bassenheimer Juden als deutsche Staatsbürger an der Front und starben im sinnlosen Krieg. Hunger, Weltwirtschaftskrise und unstabile politische Verhältnisse nach dem Krieg machten die Menschen zunehmend unzufrieden und empfänglich für Hetze gegen das „Weltjudentum“.

Hitler nutze später in seinen Propagandareden die judenfeindliche Stimmung aus, erfand die zionistische Werltverschwörung und betrieb Vertreibung und Vernichtung der Juden bis zur schrecklichen „Endlösung“. Neben wirtschaftlichen Boykottmaßnahmen gab es in Bassenheim auch andere Druckmittel gegen Juden: Führung der Beinamen „Israel“ für Männer, und „Sara“ für Frauen, Tragen des Judensterns, Nichtteilnahme am öffentlichen Leben, Aufgabe ihrer Wohnungen. Kaufwillige konnten Häuser und Besitz der Juden zu einem reduzierten Preis erwerben. Nach der Deportation der Eigentümer wurde der verbliebene Besitz versteigert und der erzielte Erlös ging an das Finanzamt. Wer die Signale der Zeit erkannte und die Möglichkeit hatte, verließ Deutschland und fand meist Aufnahme in den USA,- so auch Angehörige der Familie Haimann in Bassenheim (Mayener Straße).

Stolpersteine in der Koblenzer Straße erinnern an die jüdischen Einwohner.

Von den in Bassenheim geborenen und/oder längere Zeit am Ort wohnhaften jüdischen Personen sind in der NS-Zeit umgekommen:

  • Settchen Simon (*1862)
  • Rosa Fultheim geb. Simon (*1889)
  • Samuel Wolf (*1890)
  • Isidor Haimann (*29.04.1890 in Bassenheim; † 22.03.1942 deportiert und ermordet im Ghetto Izbica)
  • Alfred Haimann (*1893)
  • Klara Haimann (*06.10.1893 in Bassenheim; † 22.03.1942 deportiert und ermordet im Ghetto Izbica)
  • Frieda Simon (*01.05.1895 in Lich; † 22.03.1942 deportiert und ermordet im Ghetto Izbica)
  • Mathilde Winter geb. Haimann (*1896)
  • Rosa Haimann (*20.06.1898 in Bassenheim; † 22.03.1942 deportiert und ermordet im Ghetto Izbica)
  • Manfred Simon (*09.12.1920 in Bassenheim; † 22.03.1942 deportiert und ermordet im Ghetto Izbica)
  • Siegfried Simon (*10.04.1924 in Bassenheim)
    Am 22.03.1942 erfolgte seine Deportation in das Ghetto Izbica, am 02.04.1942 die Verlegung in das KZ Majdanek und am 03.05.1943 die nach Auschwitz, bis er am 25.01.1945 in das KZ Mauthausen kam. Das Lager wurde am 05.05.1945 befreit, Siegfried Simon starb am 16.05.1945 an den Folgen jahrelanger Entbehrung.
  • Norbert Simon (*1927 in Bassenheim; † 22.03.1942 deportiert und ermordet im Ghetto Izbica)
Quellen
  • Wikipedia, 2023, https://de.wikipedia.org/wiki/Liste_der_Stolpersteine_in_Bassenheim
  • Helene Thill, Koblenz, Vortrag in Bassenheim am 03.11.2010
  • Familienbuch Bassenheim
  • Oliver Moos, Bassenheim: Facharbeit Geschichte „Bassenheim im Nationalsozialismis 1933 – 1942“
  • Alemannia Judaica - Arbeitsgemeinschaft für die Erforschung der Geschichte der Juden im süddeutschen und angrenzenden Raum, Stand: 02. Februar 2014: http://www.alemannia-judaica.de/bassenheim_friedhof.htm, 19.03.2016

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