Das erste Automobil in Bassenheim
Wilfried Graf Eckbrecht von Dürckheim-Montmartin
Seit 1900 bewirtschaftete das Ehepaar Charlotte Gräfin Eckbrecht von Dürckheim-Montmartin geb. Freiin von Kusserow und ihr Gemahl, Friedrich Graf Eckbrecht von Dürckheim-Monmartin (1850 - 1939) die Bassenheimer Güter neben ihrem Besitz in Steingarden.
Aus dieser Ehe gingen fünf Kinder hervor. Aus der Bassenheimer Zeit berichtet der Sohn Wilfried Graf Eckbrecht von Dürckheim-Montmartin (geb. 1902) über das erste Auto in Bassenheim:
„So um 1905 kauften die Eltern ihr erstes Auto. Ich entsinne mich genau. Ich schaute in Bassenheim aus dem Kinderzimmerfenster zum Park hinaus und sah ein kardinalrotes Auto den Parkweg vom unteren Tor aus sich heraufschlängeln. Es war ein Adler, Glaswand zwischen Fonds und Chauffeur, Außenschaltung und dto. Bremse. Die Außentrompete, mit Gummmiball von Hand zu bedienen, ein Gitter auf dem Dach zum Befestigen der Koffer: golden! Später hatte mein Vater eine zweitonige Tatütata Blastrompete, die dann aber - weil nur dem Kaiser vorbehalten - für den allgemeinen Gebrauch verboten wurde. Die Farben wurden damals noch nach Vorlagen persönlich ausgewählt, und auf die Tür kam selbstredend das Wappen. Wenn bei Fahrten sich dann ein Nagel in den Reifen bohrte, meist ein Hufnagel, was oft genug passierte, dauerte die Reparatur so einer Panne gut eineinhalb Stunden. Reifen abmontieren, Schlauch mit Gummiflicken ausbessern, trocknen lassen, Schlauch wieder einziehen, von Hand aufblasen und wieder montieren! Alles
saß solange im Straßengraben, nachdem man sich von der speziellen Autobekleidung etwas befreit hatte!
Im Flur war eine große Truhe nur für »Autogarderobe«, also Staubmäntel, Schals, Decken, Fußsäcke, Hüte, Mützen etc. etc., in die man für jede Fahrt sorgfältig eingewickelt wurde. Da die Autos entweder offen waren oder zumindest immer mehr wie zugig und bei der rasenden Geschwindigkeit von sicher 60 Stundenkilometer viel Staub aufgewirbelt wurde - damals war noch keine Straße geteert - brauchte man schon einen gewissen Schutz. Oft waren die Straßen auch nur erst geschottert und das rumpelte ganz schön und nahm die Reifen und Pneus entsprechend mit! Bei den Fahrten hatte mein Vater immer eine ganze Reihe von Dreimarkstücken in der Tasche. Und das hatte seinen Grund! Hühner wurden damals ja noch frei gehalten. Und diese Tiere, wenn sie z. B. rechts in Sicherheit waren, mussten, kein Mensch weiß warum, vor dem heranbrausenden Auto noch schnell auf die andere Straßenseite. Und
dabei gerieten sie unfehlbar unter die Räder. Und wenn es das älteste abgemagerte Suppenhuhn des Hofes war, in dem Fall war es natürlich immer das allerbeste Legehuhn! Wozu sich unbeliebt machen? Also dann kostete es eben den Höchstpreis: 3 Mark!“
- Wilfried Graf Dürckheim-Montmartin: Graf Friedrich und Gräfin Charlotte Eckbrecht von Dürckheim-Montmartin - Ihr Leben und Wirken 1858 - 1959. Typoskript, München 1959
- Foto: Staatsarchiv Speyer, durch freundliche Vermittlung von Alexander Graf von Dürckheim-Montmartin, Celle