Freifrau und Kaiserin Augusta in Bassenheim
Theobald Groß
Sie waren zwei Damen der hochnoblen Gesellschaft, deren prominente Gatten meist wenig Zeit für sie hatten.
Während ihre Männer über politische und ökonomische Probleme verhandelten, trafen sie sich, lernten sich kennen und schätzen: Königin Augusta, die spätere Kaiserin, und Freifrau Charlotte von Oppenheim. Von Koblenz aus, wo sie gerne weilte, fand Augusta oft den Weg nach Bassenheim.
Einst waren es „Festliche Erinnerungen“, zu denen Königin Augusta das Ehepaar Abraham und Charlotte von Oppenheim und weitere Freunde ab 1863 alljährlich im November in das Koblenzer Residenzschloss eingeladen hatte.
Die Liebe Augustas zur Stadt an Rhein und Mosel war seit 1850 freudig gestimmte Wirklichkeit geworden, als Wilhelm als Militärgouverneur für Rheinland und Westfalen in das Kurfürstliche Schloss in Koblenz als seinen neuen Dienstsitz einziehen konnte.
Um ihre Zuneigung zu Koblenz sichtbar zu dokumentieren, veranlasste Prinzessin Augusta, noch bevor sie Königin werden konnte, die Schaffung der Rheinanlagen durch den Generaldirektor der Staatlichen Preußischen Gärten, Josef Lenné. Die beachtlich attraktiv gewordenen Rheinanlagen erhielten am 18.10.1896 mit der Enthüllung der Porträtstatue der inzwischen Königin und Kaiserin gewordenen Augusta den angemessenen Namen „Augusta-Anlagen“.
Gerne erinnern sich geschichtsbewusste Zeitgenossen, dass Kaiserin Augusta freundschaftliche Verbindungen nach Bassenheim pflegte und zum Beispiel die Baustelle des Krankenhauses, das die Freifrau von Oppenheim der Gemeinde 1885 schenkte, besichtigt hat. Schon zur Grundsteinlegung hatte die Kaiserin, zur Freude der Bassenheimer Bevölkerung, die Musikkapelle ihres Garderegiments „Königin“ geschickt.

Freundinnen waren Augusta und Charlotte von Oppenheim geworden, bevor die Oppenheims Burg und Rittergut Bassenheim 1873 erworben hatten.
Augusta, am 30.09.1811 als Tochter des Großherzogs Karl-Friedrich von Sachsen-Weimar geboren, hatte noch vor ihrem 18. Geburtstag den 32 Jahre alten Wilhelm geheiratet. Am 11.06.1829 kam es zur Hochzeit mit der, wie es hieß, „geist- und anmutsvollen Prinzessin“. Augusta begleitete Wilhelm bei dessen Aufstieg zum König und Kaiser und war ihm lange Zeit einfühlsam eine kluge Beraterin, auch in politischen Fragen.

Charlottes Gatte Abraham, am 24.05.1804 in Köln geboren, hatte dem Kölner Bankhaus Sal. Oppenheim durch ungewöhnliche Aktivitäten zu europäischem Ansehen verholfen. Zugleich hatte er internationale Anerkennung als vielseitiger Finanzexperte und Eisenbahnpionier erlangt. Es war in beider Interesse, wenn Abraham mit Wilhelm, dem „Prinzen von Preußen“, späteren König und Kaiser, zu verhandeln hatte.
Als Abraham Oppenheim Charlotte heiratete, hatte sie bereits hohes Ansehen in der Gesellschaft. Sie war eine geborene Bayfus, eine Enkelin des legendären Bankiers Meyer Amschel Rothschild.
Am 02.01.1861 wurde Wilhelm König von Preußen, aus der Prinzessin Augusta wurde die Königin.
Preußen war nicht nur eine militärische Großmacht, es strebte auch wirtschaftlich an die Spitze. Eine Persönlichkeit, die dazu einen besonders erfolgreichen Beitrag leistete, war Abraham von Oppenheim. Das Bankhaus beteiligte sich an der Preußisch-Rheinischen Dampfschifffahrtsgesellschaft, an der Rheinischen Seefahrtsgesellschaft, an der Preußischen Staatsanleihe, an Bergwerksgesellschaften, Walzwerken und Hüttenbetrieben. Abraham baute Bankhäuser und Versicherungspaläste in Köln, Paris, Amsterdam, Luxemburg, Berlin, Dresden und sogar in der Türkei und gründete zahlreiche Versicherungsgesellschaften.
König Wilhelm imponierte das dynamische Naturell Abraham Oppenheims. Am 14. März 1868 wurde Abraham eine besondere Ehre zuteil: Der König ernannte ihn zum preußischen Freiherrn. An seinem Hof waren damit nicht alle einverstanden. Man fragte: „Majestät, wie können Sie einen Juden zum Freiherrn ernennen?“ Doch Wilhelm blieb dabei: Abraham Oppenheim habe sich um Preußen und ganz Deutschland verdient gemacht.
Königin Augusta und Charlotte von Oppenheim (nun Freifrau von Oppenheim) hatten sich oft in Koblenz und Köln getroffen. Dort nahmen beide am 14. August 1864 an der feierlichen Eröffnung der vom Bankhaus finanzierten Gartenbauausstellung „Flora“ teil, die später oft ihr Treffpunkt wurde.
Als Abraham von Oppenheim Burg, Schlosspark und Rittergut Bassenheim für die ungeheure Summe von 525.000 Talern erwarb, kamen sich die beiden Freundinnen noch näher. Das Schloss in Bassenheim hat Kaiserin Augusta nie ohne namhafte Spenden verlassen. Ihr Hausarzt Dr. Katzemich bestätigte, dass diese stets exakt deklariert waren – entweder für das private Portefeuille der Kaiserin oder für einen guten Zweck, etwa für die Verteilung an Arme.
- Theobald Groß: „Heimatbuch-Jahrbuch 1990 Kreis Mayen-Koblenz“, S. 234 – 236.
Bildnachweise
- F. Jamrath & Sohn Berlin (1880er Jahre): Augusta von Sachsen-Weimar-Eisenach. Reproduktion durch Günter Josef Radig. Quelle: Kabinet Photo. Lizenz: Public domain. Verfügbar unter: https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Empress_Augusta.jpg?uselang=de#Lizenz.
- Volkhardt, Friedrich (1868): Abraham Freiherr von Oppenheim (1804–1878). Archiv von Sal. Oppenheim. Verfügbar unter: https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Abraham_Freiherr_von_Oppenheim_(1804%E2%80%931878).jpg