Kriegsjahre/Nachkriegszeit

Das ehemalige Gefangenenlager „Eiserne Hand“

Von der „Reichsautobahnbehörde“ Anfang 1939 errichtet, wurde das Gefangenenlager 1942 wieder aufgegeben. Das Lager erhielt seinen Namen „Eiserne Hand“ vom gleichnamigen Ausflugslokal, das ca. 3 km von Bassenheim (in Richtung Wolken) entfernt war. Das Lager bestand aus vier Wohnbaracken, einer Wirtschaftsbaracke, einer Waschbaracke und einer Abortbaracke. Vom 15.09.1940 bis 14.10.1941 hatte das Lager die Funktion einer „Außenarbeitsstelle“ der Strafanstalt in Koblenz. Es waren bis zu 300 überwiegend polnische Zivilstrafgefangene unter unmenschlichen Bedingungen untergebracht, die unter Schwerstarbeit die „frühzeitige Fertigstellung der Reichsautobahn, Strecke Limburg-Trier“ (heute Autobahn A 48) zur Aufgabe hatten. Die Gefangenen mussten für die Firma Wassermann arbeiten. Bei sehr schlechter Versorgung und schlimmster Behandlung, kam zu einer Reihe von Todesfällen.

Der ehemalige Bürgermeister Johann Simon (im Amt von 1948 bis 1961), genannt „Ruud Johann“, berichtet 1950 auf Anfrage der damaligen Amtsbürgermeisterei Weißenthurm: „Das Lager an der Eisernen Hand wurde am 11.01.1941 durch 300 polnische Zivilstrafgefangenen belegt ... Die Bewachung erfolgte durch zivile Justizbeamte von der Strafanstalt Wittlich, Bez. Trier. Das Lager wurde geführt durch Konrad Krüger als Lagerführer, eingesetzt von der Obersten Bauleitung der Reichsautobahn in Frankfurt. Weiterhin war von der Strafanstalt Wittlich als Leiter der Bewachungskommandos der Justiz-Hauptwachtmeister Birkenbeul eingesetzt ...“

Norbert Widok, ein ehemaliger Strafgefangener im Lager „Eiserne Hand“, besuchte auf Einladung des Bundesarchives im August 2001 seine ehemalige Leidensstätte. Widok wurde 1921 oder 1922 in Gniezno (früher Gnesen in der damaligen preußischen Provinz Posen, heute in der Wojwodschaft Wielkopolskie) geboren. Seine Eltern führten dort einen Bauernhof. Widok besucht ein Handelsgymnasium in Gnesen.

Nach dem Überfall Hitler-Deutschlands auf die Republik Polen im Jahr 1939 und deren Besetzung kommen SS-Männer auf den Bauernhof der Eltern. Der Vater wird erschossen, die Mutter und Schwester werden zur Zwangsarbeit verschleppt. Der 17-jährige Norbert wird verhaftet.
Außer Norbert werden nach und nach noch 200 weitere Schüler verhaftet. Man wirft ihnen vor, einen Aufstand geplant zu haben. Ein Prozess vor einem Sondergericht endet mit Freispruch, weil man ihnen nichts nachweisen kann.
Man lässt Norbert Widok aber nicht frei. Die Geheime Staatspolizei (Gestapo) nimmt ihn in „Schutzhaft“.

In Bassenheim bei Koblenz war inzwischen in der Gemarkung „Eiserne Hand“ ein Gefangenenarbeitslager mit mehreren Baracken eingerichtet. Es gehört organisatorisch zum Gefängnis Koblenz. Wie andere Lager in der Umgebung auch, wird es zusammen mit dem „Unternehmen Reichsautobahn“ von bis zu 300 Gefangenen betrieben.

Am 11.01.1941 kommt Widok in einem Güterwaggon zusammen mit anderen polnischen Zivilgefangenen auf dem Bahnhof in Bassenheim an. Von dort werden sie einige Kilometer weit bis zum Lager getrieben.

Am schlimmsten waren die mit Knüppeln bewehrten SS-Leute und ihre Hunde, die darüber wachten, dass niemand davonlief.

In Briefen an das Landeshauptarchiv Koblenz beschreibt Norbert Widok seine Eindrücke wie folgt:
Das Lager befindet sich auf kleinen Hügeln, 6 oder 7 Baraken, davon 5 waren umgezaumt - zwei Zäune Stacheldraht, davon einer war unter Strom. Auf jede Ecke war ein Turm mit einem Posten. Von innen im Lager, vor dem Zaun, war eine Rolle aus Stacheldraht. Drei Baraken mit Häftlingen auf jeden ca. 130 – 150 Mann, im einen war Küche, Lebensmittelmagazin. In den anderen eine kleine Schreibstube, Effektenkammer (hier wurden die persönlichen Gegenstände der Häftlinge verwahrt) und Wirtschaftsgebäude ... Frühstück: 2 Broteschnitte/Schwarzbrot,- jeden zweiten Tag kleine Löffel Marmelade oder Margarine. Am Mittag ein Liter Suppe aus Kohlrüben, rote Rüben oder Kraut, selten mit ein paar Kartoffeln oder einem Stück Fleisch. Zum Abendessen dann wieder eine Stulle Schwarzbrot (ca. 150 g), selten ein Stück Leberwurst oder Käse mit einem halben Liter Kaffee oder Mehlsuppe. Immer war ich hungrig!
Ich habe auf der Kippe gearbeitet,- Erde aufschütten auf kleine Wagen (Lore). Der Capo oder Vorarbeiter immer mit Peitsche haben gezwungen zum schnellen Arbeit. Waren auch Falle das von die Arbeit haben wir Kollegen geschleppt, die was konnten selbst nicht gehen, die waren so schwach. Im Winter war uns sehr kalt, am schlimmsten war, wie hat geregnet. Im Lager war ein Sanitäter, aber ohne Medikamente.“

Widok erwähnt, dass auch andere Ausländer, hauptsächlich Holländer, auf der Baustelle als Zwangsarbeiter tätig waren. Der Kontakt untereinander war jedoch den Häftlingen verboten.

Bis 1942 waren die Erdarbeiten an der Baustelle „Eiserne Hand“ so weit vorangeschritten, dass eigentlich mit dem Bau der Fahrbahndecke hätte begonnen werden können. Die Unterführung zur „Eisernen Hand“ war ebenfalls fertig und wurde später von der heutigen überbaut und erheblich verbreitert. Die Arbeiten wurden jedoch frühzeitig eingestellt, weil die Bunkeranlagen am Atlantik absoluten Vorrang bekamen. Die Wolkener Fußballer nutzen nach dem Krieg die ebene Fläche der Trasse als Fußballfeld.

Norbert Widok kam schließlich von der „Eisernen Hand“ zunächst in eine Zellstofffabrik nach Siegburg. Nach einem Fluchtversuch u.a. in das KZ Theresienstadt, wo ihm 1945 kurz vor Kriegsende ein Fluchtversuch gelang. Über Prag gelangte er nach Polen zurück, besuchte die Handelsakademie und wurde Finanzbeamter.

Neben dem Strafgefangenenlager „Eiserne Hand“ gab es weitere in Uersfeld, sowie Hilgert im Westerwald. Die nun folgenden Auszüge aus einem Bericht eines Oberinspektors der Gefängnisverwaltung in Koblenz, das Lager Hilgert betreffend, ist an Verachtung und Zynismus kaum zu überbieten. Es vermittelt einen Eindruck, wie die Nazis die Strafgefangenen auch im Lager „Eiserne Hand“ behandelten:

Das Menschenmaterial ist viel schlechter als beim letzten Polentransort für das Lager ›Eiserne Hand‹. Es handelt sich um ein bunt zusammengewürfeltes Gesindel, Juden, Zigeuner und Pollacken. Das Aussehen der Leute spottet jeglicher Beschreibung. Alle waren in Zivilkleidung und durchweg völlig verlumpt. Mantel- und Jackenfetzen waren mit Kordel am Körper zusammengebunden. Viele trugen keine Schuhe und Strümpfe, sondern hatten ihre Füße mit Lappen umwickelt. Alle waren verdreckt und verwahrlost. Im Lager Hilgert wurden die Gefangenen zunächst einer ersten Reinigung unterzogen und sodann verpflegt. Das Lager Hilgert besteht z. Zt. aus 5 Baracken einschließlich der Wirtschaftsbaracke; eine weitere Baracke wird unverzüglich noch errichtet. Die in dem Transport enthaltenen 27 Juden habe ich mit den dreckigsten anderen Gefangenen zusammen in einer Baracke untergebracht. Dabei habe ich die sofortige Absonderung offenbar Kranker veranlasst. Da der Gesundheits- und Kräftezustand der Leute schon nach dem ersten Eindruck wenig erfreulich war, habe ich ihre sofortige Untersuchung durch den Anstaltsarzt am Samstag, den 9.2.41 veranlasst. Es wurde eine Reihe Jugendlicher im Alter von 16 und 17 Jahren festgestellt, bei denen sich erst ergeben muss, wie weit sie den Arbeitsanforderungen gewachsen sind. Von den 59 akut Kranken leiden 33 an Krätze und werden mit ›–Mitgal‹ behandelt, 6 an Tbc, 5 an Furunkulose und 3 an Leistenbruch, bei mehreren wurden Frostbeulen festgestellt.

Das Gelände des Gefangenenlagers ging nach dem Krieg nach Abbruch der Anlagen und nach weitgehender Einebnung wieder zur Nutzung an den Eigentümer, die Familie von Waldthausen, zurück. Geblieben sind einige Mauerreste und Kellergewölbe und bis heute eben das Steinmonument mit der Aufschrift nach Alfred Ernst Rosenberg.

Das Steinmonument ist eines der letzten Relikte des Gefangenenlagers „Eiserne Hand“, das sich im heutigen Bassenheimer Wald (Nähe Autobahnbrücke/Eiserne Hand, am Waldrand in Richtung Hochwald) befand.

Rosenberg war Baltendeutscher, 1893 in Reval (Tallinn) geboren, stieß er bereits 1919 zur NSDAP und wurde 1941 Reichsminister für die Ostgebiete. Seine bekannteste Schrift „Der Mythos des 20. Jahrhunderts“ von 1930, worin er gegen Juden, Christen, Freimaurer und Bolschewisten hetzte, wurde zum Wegbereiter der NS-Ideologie. Die Aufschrift auf dem Steinmoument ist angelehnt an die Originalformulierung aus Rosenbergs Hauptwerk:

Denn Chaos wird nie von Mutlosen gebändigt und noch nie ist von Feiglingen eine Welt gebaut worden.

Der Text auf dem Steinmonument kann wohl nur als Verhöhnung der damaligen Lagerinsassen verstanden werden. Als Mahnung gegen das Vergessen, möge der Text heute gelesen werden.
Rosenberg wurde schließlich in den Nürnberger Prozessen als „Urheber des Rasenhasses“ zum Tode durch den Strang verurteilt und am 16.10.1946 hingerichtet.

  • Mahnmal Koblenz, Norbert Widok (aus Großpolen in Bassenheim), https://web25.otto.kundenserver42.de/Mahnmal_NEU/index.php/2013-12-12-02-07-02/die-personentafeln/232-090-norbert-widok-aus-grosspolen-in-bassenheim
  • Der Bassenheimer Reiter, Ausgabe Dezember 2011, Seite 4, Herausgeber Heimatverein Bassenheim)
  • Westarp BookOnDemand; 1. Edition (12. Mai 2016), Bau der Reichsautobahn in der Eifel (1939-1941/42): Eine Regionalstudie zur Zwangsarbeit, Wolfgang Schmitt-Kölzer